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Smart(ph)one?

Nachdem sich heutzutage vor allem "Erwachsene" über die sogenannte "Generation Smartphone" und ihr Verhalten empören, wird es vielleicht mal Zeit dafür, dass sich ein Zeitgenosse (der betroffenen Heranwachsenden) zu diesem Thema äußert. Denn es ist wohl ein ewig währendes Phänomen, wenn sich die reifere Generation über die heranwachsende beklagt, weil "früher sowieso alles besser war". Wäre es also nicht dringenst nötig, die Meinung einer dieser jungen Personen zu den allseits bekannten Problematiken im Zusammenhang mit der Smartphone-Nutzung (Konzentrationsschwierigkeiten, schlechte Körperhaltung etc. pp.) kennenzulernen?

Und da mein Lebenslauf mit all seinen Referenzen (5. Klasse: Klapphandy der großen Schwester geerbt, 7. Klasse: nicht klappbares Handy geerbt, 9. Klasse: ein erstes Smartphone,..) wie geschaffen dafür zu sein scheint, melde ich mich jetzt einfach mal zu Wort.

Ich möchte nicht die allseits bekannten (gesundheitlichen) Nebenwirkungen aufzählen, das haben schon genügend Personen mit Doktortitel gemacht. Es ist nichts mehr Neues, dass Smartphone-Nutzung beim Großteil meiner Generation schon einer Art Suchtverhalten gleicht. Ich persönlich bin immer genervter von diesem kleinen internetfähigen mobilen Endgerät, dessen Existenz mich dazu zwingt, es immer bei mir zu tragen, um immer und überall erreichbar zu sein und alles von jedem auf drei verschiedenen Kanälen immer und überall mitzukriegen. Umso aufregender war es also, als ich vorige Woche (endlich mal) mein Handy bei einem Bekannten im Auto verloren hatte und somit etwa 20 Stunden lang komplett machtlos in der realen Welt gefangen war.

Und - ganz ehrlich - es fühlte sich an wie ein kleiner, entspannter Kurzurlaub.

Einfach mal nicht dieses Ding mit sich herumzutragen, um alle zwei Minuten überprüfen zu müssen, ob es womöglich irgendetwas Neues gibt. Es könnte ja sein, dass man gerade etwas ganz Wichtiges verpasst. Denn auch ohne, dass es blinkt, summt oder klingelt - wenn dieses Ding in Reich- oder Sichtweite liegt, hat es anscheinend die Macht, einen schon allein durch seine Anwesenheit abzulenken. Und ich bin mir sicher, das geht nicht nur mir so.

Und genau diese Ablenkung war einfach mal nicht vorhanden. Es wäre übertrieben, zu behaupten, ich hätte irgendwas besonders tolles geleistet an diesem smartphonelosen Tag. Aber ich war einfach mal bei der Sache, mit der ich mich gerade beschäftigte, ohne dass mein Blick andauernd zu meinem Handy wandern konnte. Und obwohl ich genau deshalb schon oft das Internet ausgemacht habe, um eben nicht durchgehend erreichbar zu sein, war es doch etwas anderes gänzlich ohne Handy unterwegs zu sein.

Das Schöne daran war, dass meine Aufmerksamkeit ausnahmsweise mal nicht die ganze Zeit geteilt war und ich auch nicht das Gefühl hatte, etwas zu verpassen. Plötzlich hatte ich viel mehr Zeit, um mich irgendeiner Sache zu widmen, ob es dabei ums Lernen, Lesen oder irgendetwas anderes ging.

Genau das, scheint mir, ist es, was wir verlernen. Wir entscheiden uns nicht mehr für eine Sache, der wir unsere Aufmerksamkeit schenken, was vielleicht auch Disziplin und Konzentration benötigt, sondern sind offen für jede Ablenkung. Manche nennen das vielleicht Multitasking oder geistige Flexibilität - aber für mich ist das inzwischen einfach nur geistige Faulheit sowie die Angst sich festlegen zu müssen und dabei irgendeine vermeintlich bessere Alternative zu verpassen. Vermutlich findet man diese Haltung in ziemlich vielen Situationen wieder. Und letztendlich bleibt alles, was man denkt, sagt oder tut nur eine wage Ahnung vom eigentlichen Gedanken, weil man nie ganz bei der Sache ist und seine Zeit verschwendet, indem man versucht alles gleichzeitig beachten und gar nicht mehr das Wesen der Dinge erkennt, sondern alles nur noch oberflächlich.

Ich behaupte nicht, dass ich besser bin, aber ich denke, man sollte es nicht schön reden.

Wir stehen nicht mehr zu unseren Entscheidungen, ändern unsere Meinung so schnell wie unser Outfit und schaffen es erst recht nicht mehr, ein ernsthaftes Gespräch zu führen, ohne den wiederholten Blick aufs Handy. Zu Geburtstagen sagen wir weder zu noch ab, um so flexibel wie möglich zu bleiben, sollte sich noch etwas Besseres ergeben. Hauptsache am Ende haben wir den größtmöglichen Spaß, der am Besten sofort in der Story dokumentiert wird, damit auch auf jeden Fall alle mitkriegen, dass man gerade was echt cooles erlebt und sich dabei prächtig amüsiert. Die Tatsache, dass man, egal was man da gerade gesnappt hat, in Wirklichkeit eigentlich nur am Smartphone hängt und die Szene für die Story vielleicht nur gestellt war, scheint komischerweise kaum jemanden zu stören.

Was für eine Zeitverschwendung.

Vielleicht sollte uns klar werden, dass wir unsere Zeit besser nutzen könnten. Vielleicht sollten wir nicht nur dokumentieren, was wir machen, sondern es auch wirklich tun.

Es wird Zeit, mal was zu wagen, und nicht immer nur abzuwägen.

Stay true.

"Der Mensch besitzt nichts Edleres und Kostbareres als die Zeit." - L. v. Beethoven



Die Fotos stammen aus Paris, Valparaíso (Chile) und Santiago de Chile.

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