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Schönes Lernen



In letzter Zeit bekommt man immer wieder zu hören, dass man in der Schule viel zu viel unsinniges Zeug lernt. Dinge, die einem im späteren Leben nichts nützen, wie beispielsweise Gedichte interpretieren zu können, anstatt die korrekte Durchführung einer Steuererklärung zu beherrschen. Ich gebe zu, ich habe keinen Schimmer von Letzterem. Und immerhin mache ich in wenigen Wochen mein Abitur!

Man könnte es als schwerwiegendes Defizit sehen, dass ich in meinem 19jährigen Leben diese und viele weitere scheinbar grundlegenden Kompetenzen noch nicht erlernt habe. Vor allem in einem bürokratieliebenden Staat wie Deutschland sollte man so etwas doch schon in der ersten Klasse erwähnen.

Aber, wo ich mich doch vermutlich die nächsten, sagen wir mal 50 Jahre damit beschäftigen werde - wieso sollte ich auch nur ein Jahr vorher anfangen darüber nachzudenken?

Der sogenannte Ernst des Lebens beginnt doch noch früh genug. Und um ehrlich zu sein, ich liebe es, Gedichte zu interpretieren, Werke zu analysieren und Texte zu erörtern. Wahrscheinlich bin ich eine von Wenigen, die es fasziniert, zu verstehen, wie man Sprache einsetzen kann und auf wie viele unterschiedliche Weisen man sich ausdrücken kann. Die Tatsache, dass es lediglich auf die Wortwahl ankommt. Die Botschaften und Weisheiten, die man erst bei zweiten Hinsehen erkennt.

Allerdings gilt es womöglich zu erwähnen, dass es irgendwo auch auf die skills (aha, ein Wort in Jugendsprache) des jeweiligen Lehrers ankommt sowie dessen Motivation. Diese sind mal mehr, mal weniger vorhanden, oft kombiniert mit einer bestimmten Art von Strenge (oder auch Zickigkeit), die den Schülern scheinbar zeigen soll, dass sie mit ihrem unendlichen Unwissen, wohl kaum jemals die beste Note erreichen können. Ich schätze, solche Lehrer sind letztendlich unsicher und haben Angst, dass ihnen die Schüler, sobald keine Strichliste mehr geführt wird, keinen Respekt mehr entgegenbringen. Das Gegenteil sind wohl die Lehrer, die so unsicher sind, dass sie gar nicht erst so tun, als seien sie ihrer Klasse überlegen, sondern eher einen antiautoritären Unterricht an den Tag legen, was meiner Meinung nach auch nicht wirklich effektiv ist. Es gibt noch viele andere Lehrertypen; die Verpeilten, die immer zu spät kommen, die Bürokratieliebenden, die Gruppenarbeitsfanatiker etc pp. 

Aber eigentlich geht es nicht um die eben beschriebenen Eigenschaften. Sondern darum, ob diesen Menschen das Unterrichten Spaß macht und sie die nötige Ausstrahlung haben, damit man sie respektiert. Dann nämlich macht auch den Schülern das Lernen auf einmal Spaß. 

Zu der Sache mit dem Respekt ein kleiner Kommentar: viele haben es vielleicht noch nicht begriffen, aber respektiert werden (bspw. von Schülern) hat absolut nichts mit Strenge zu tun. Respekt muss man sich verdienen. 

Die Lehrer, die ich respektiere haben gänzlich unterschiedliche Persönlichkeiten und doch haben sie eines gemeinsam. Ich gehe gerne in ihren Unterricht, weil ich merke, dass sie mir nicht nur Wissen sondern auch die Fähigkeit dieses kritisch zu reflektieren, vermitteln wollen. Ich bin gerne Schülerin. 

Erwachsen bin ich zwar schon. Aber ich habe es nicht eilig, erwachsen zu werden. 

Der Ernst, besser gesagt, der Stress des Lebens (das ist es dem Eindruck nach, den ich vermittelt bekomme) beginnt noch früh genug, das ist mir klar. (Daher übrigens auch mein Desinteresse daran, wie eine Steuererklärung zu machen ist.)

Deshalb genieße ich es, in der Schule die Zeit zu haben, kunstvolle Texte und Bilder kennenzulernen oder geschichtliche Geschehnisse, natürliche Vorgänge sowie politische Konflikte der Gegenwart zu verstehen. Besonders Literatur, Kunst und Musik, denen scheinbar immer weniger Bedeutung geschenkt wird, spiegeln doch unsere Kultur und geschichtliche Entwicklung wieder. Und meiner Meinung kann man seine Kultur nur weiterentwickeln, wenn man auch ihre Wurzeln kennt. Gerade in der heutigen Zeit ist es doch wichtig, unsere Kultur nicht nur zu kennen, sondern auch zu verstehen, um sie erhalten zu können. Damit sie bestehen bleibt, sodass kulturelle Vielfalt entsteht und keine Pseudomischkultur, in der keiner mehr weiß, um welche Werte es eigentlich geht und worauf diese zurückgehen.

Ich denke, es geht aber nicht nur darum, zu verstehen, dass Deutschland nicht nur den Nationalsozialismus und das Auto hervorgebracht hat. Sondern auch darum, den wahren Wert der deutschen Kultur zu erkennen, die von großen Dichtern, Denkern und Musikern geprägt worden ist. Man sollte Jugendlichen Mut machen, stolz auf ihre Kultur zu sein und selbst etwas zu ihr beitragen zu wollen, egal ob es sich um Kunst, Musik oder Wissenschaft und Technik handelt. Nicht nur um ihnen vor Augen zu führen, dass die deutsche Kultur mehr ist, als das, was eine gewisse Partei auf fremdenfeindliche Weise und mit einem dezenten Rechtsdrall versucht, zu "verteidigen".

Sondern auch damit sie merken, wie schön es ist, etwas Neues zu lernen, sich damit auseinanderzusetzen und daran zu wachsen. Und dies eben auch, wenn es darum geht, "Schönes" zu lernen, und nicht nur, um Steuererklärungen bewältigen zu können, was - das ist wohl offensichtlich - natürlich wesentlich nützlicher wäre.

Sapere Aude.

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